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Beitrag vom 11.05.2020
Situation der Stadtführerinnen in Berlin in Coronazeiten: Ein Beitrag von Claudia Häuser-Mogge
Claudia Häuser-Mogge
Wir zeigen den Besucherinnen und auch interessierten Bewohnerinnen die Stadt Berlin: Die Stadtführerinnen, Städte-Guides oder Stadtbilderklärerinnen. Fast alle sind wir als Ein-Frau- oder Ein-Mann-Betriebe, oft in Kooperation mit BerufskollegInnen, selbständig. Aktuell in der Coronakrise sind uns alle Aufträge weggebrochen. Die KundInnen …
… sagten bei den Guides direkt oder bei den entsprechenden Veranstaltungs- und Tourismusagenturen alle Führungen ab.
Im Februar als Erstes die Gäste aus USA und von anderen Kontinenten. Es folgten Anfang März die Buchungen aus Europa und Israel. Die letzte Führung machten Viele von uns am Samstag, dem 14.3.2020. Seitdem gibt es nur noch Absagen.
Der Zeitpunkt im Jahr war für die Branche denkbar ungünstig: Traditionell sind die Kassen der Guides Mitte März, auch bei guter Planung, leer. Die Stadtführungssaison beginnt Ende März und endet meist im Verlauf des Oktobers - im Dezember gibt es noch einige Betriebsfeiern - dann kommt die saisonbedingte Flaute. Wer gut gewirtschaftet hat, leistet sich in dieser Zeit eine Auszeit oder gar Urlaub. Der ist auch äußerst nötig, da wir in den Hauptzeiten z.B. Mai, Juni und September oft ohne Wochenenden durcharbeiten.
Viele von uns waren Mitte März sehr deprimiert und ratlos. Wie sollte es weiter gehen? Alle Aufträge bis mindestens Ende Juni abgesagt. Aber alle Kosten laufen weiter und frau/man muss ja auch noch von etwas leben. Sollten tatsächlich nur Diejenigen mit einem blauen Auge davonkommen, die vermögend sind bzw. einen Lebenspartner oder Lebenspartnerin haben, dessen oder deren Gehalt in Zeiten der Pandemie nicht weggebrochen war? Für alleinverdienende bzw. alleinlebende Stadtführerinnen war die Situation ein Desaster. Nur noch übertroffen von der Situation alleinerziehender Guides mit Kind oder Kindern, die oft nicht mal Geld vom anderen Elternteil erhalten. Gott sei Dank konnte man Ende März und Anfang April die Zuschüsse für Solo- und Kleinselbständige vom Berliner Senat und der Bundesrepublik Deutschland beantragen.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten, weil Alle auf die Website der senatseigenen Investitionsbank Berlin – IBB - wollten, um die Darlehen im Rahmen der Rettungsbeihilfen Corona zu beantragen, ging es dann tatsächlich in den allermeisten Fällen unsagbar schnell: Innerhalb von zwei Tagen nach der Antragstellung landeten € 5.000 und/oder € 9.000 auf dem Konto. Es wurden nur wenige Angaben von den Antragstellerinnen verlangt. Da kann man nur sagen: Berlin ist immer wieder für eine Überraschung gut! Diese sensationell rasche Bearbeitung in Berlin wurde sogar in der New York Times (verwundert) bewundert. Auch unter uns Guides hellte sich die Stimmung Anfang April sichtlich auf.
Aber wie geht es weiter? Die wunderbaren Zuschüsse werden, wie ich von den meisten Kolleginnen höre, voraussichtlich bis Ende Mai, vielleicht Mitte Juni 2020 reichen. Letzte Woche wurden Hilfsmaßnahmen für die Tourismusbranche, seitens des Bundeswirtschaftsministeriums, in Aussicht gestellt: Kundinnen, die vor dem 8. März Hotels oder Reisen bezahlt haben, erhalten ausschließlich Gutscheine und keine Rückzahlungen. Eine Maßnahme, die für uns Gästeführerinnen leider ohne Effekt sein wird, da die Zahlung in der Regel nicht vorab erfolgen. Bezahlt wird bei uns unmittelbar vor der Führung oder anschließend per Überweisung. Aber es sind keine Aufträge mehr vorhanden.
Wenn sich durch die Lockerungen der Maßnahmen des Shutdowns in den nächsten Wochen nichts für die Stadtführungsbranche ändern sollte, dann müssen wir wohl traurig zur Kenntnis nehmen, dass es der Branche wie den Kulturschaffenden ergehen wird: Aufführungsverbot bis mindestens Ende August ... dann nähert sich die Saison 2020 aber auch schon wieder ihrem Ende!
Text v. 20.4.2020 Claudia Häuser-Mogge, Städte-Guide und Kunstvermittlerin unterwegs in Berlin und Potsdam
Mehr Infos: www.berlinprogramme.com